Unternehmensinterne Untersuchungen als hilfreiche Verteidigungsmaßnahme oder Arbeitserleichterung für die Strafverfolgungsbehörden – zur Beschlagnahme von Compliance-Unterlagen im Unternehmen

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Das LG Braunschweig hatte im Rahmen einer Durchsuchungsbeschwerde darüber zu entscheiden, ob Unterlagen über anwaltlich durchgeführte, interne Ermittlungen im Unternehmen, die mit dem Sachverhalt des Ermittlungsverfahrens gegen eines beschuldigten Mitarbeiter zusammenhängen, beschlagnahmt werden dürfen (LG Braunschweig, Beschluss vom 21.07.2015 – 6 Qs 116/15).
Der dem Beschluss zugrundeliegende Sachverhalt stellt sich stark vereinfacht folgendermaßen dar: Im Rahmen der Durchsuchung in den Räumen des Unternehmens, bei dem der Beschuldigte angestellt war, waren Ergebnisse einer internal investigation beschlagnahmt worden. Diese interne Untersuchung hatte das Unternehmen bei externen Anwälten in Auftrag gegeben, um einerseits die Criminal Compliance des Unternehmens zu untersuchen und andererseits, um eine Unternehmensverteidigung wegen einer möglichen Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG vorzubereiten.
Das LG Braunschweig hat hierzu entschieden, dass Verteidigungsunterlagen im Sinne des § 148 StPO auch dann – über den Wortlaut des § 97 Abs. 2 Satz 1 StPO hinaus – beschlagnahmefrei sind, wenn sie sich im Gewahrsam des Beschuldigten befinden. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Betroffenen ist dabei keine notwendige Voraussetzung, weil eine schützenswerte Vertrauensbeziehung zur Vorbereitung einer Verteidigung auch dann bestehen kann, wenn der Betroffene nur vermutet, dass künftig ein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt werden kann.
Das Gericht weist explizit daraufhin, dass nicht zuletzt bei komplexen Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren bereits die eigenständige und unabhängig von den Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden vorgenommene Aufarbeitung des Sachverhalts ein wesentliches Element zur Vorbereitung einer wirksamen Verteidigung darstellen kann. Hierfür müssen nicht schon konkrete Verteidigungsstrategien erörtert werden, jedoch muss dem Unternehmen der strafrechtliche Vorwurf gegen den Mitarbeiter bekannt sein.
Da bei einer Korruptionsstraftat eines führenden Mitarbeiters die spätere Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen das Unternehmen nicht fern liegt, sind nach Auffassung des LG Braunschweig anwaltliche Unterlagen, die den Sachverhalt nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen den Mitarbeiter nicht nur unternehmsintern aufklären, sondern auch eine mögliche Verbandsgeldbuße abwehren sollen, als beschlagnahmefreie Verteidigungsunterlagen zu qualifizieren. Dienen diese internal investigations also auch einem Verteidigungszweck, so kommt es nach Ansicht des LG Braunschweig für einen Beschlagnahmeschutz nicht mehr darauf an, ob sich die Unterlagen im Gewahrsam des Unternehmensverteidigers oder des Unternehmens befinden.
Höchst umstritten ist die Frage nach dem Beschlagnahmeschutz jedoch bei unternehmensinternen Untersuchungen, die bereits vor Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Mitarbeiter durchgeführt werden. Hier kann ein Unternehmen derzeit noch nicht darauf vertrauen, dass auch solche Dokumente, die in den Räumen des Unternehmens, z.B. im Büro des Compliance Officer, verwahrt werden, vor einer Beschlagnahme geschützt sind. Daher gilt es stets im Vorfeld zu überlegen, ob bereits vor dem Bekanntwerden eines Ermittlungsverfahrens gegen Mitarbeiter auch unternehmensinterne Untersuchungen eingeleitet werden sollen. Unter Umständen wird auf diese Weise den Strafverfolgungsbehörden ein gutes Stück Arbeit abgenommen und auf dem Silbertablett präsentiert.